Fahrerlebnis ganz ohne Schalter
Vor ein paar Jahren fanden sich ein paar benzinaffine Menschen zusammen und sorgten dafür, daß auf der Radrennbahn bei mir um die Ecke sich einmal im Jahr die Freunde historischer Fahrzeuge – bevorzugterweise einspuriger Art – für einen Tag auf dem steilkurvigen Oval austoben können.
War die Radrennbahn bis zu diesem Tage eher terra incognita für mich, gehört es inzwischen zur Tradition, daß ich mich an einem Samstag (inzwischen meist im Juni) auf meinen treuen alten Zündapproller schwinge und mir die grandios verrückten Kollegen anschaue, die sich tatsächlich mit Mopeds jeder Baugröße und Altersstufen ins Oval begeben, um so zwei bis siebenundvierzig Runden selig umherzuknattern.
Anmerkung: Die Bilder sind aus den Jahren 2008, 2012 und 2014.
Ich selbst traue mir das nicht so recht zu und bleibe doch lieber bei meiner Rolle als professioneller Zuschauer. Wobei man auch am Rande ganz herrliche Benzingespräche führen kann; groß ist die Freude, wenn Menschen spontan auf einen zuschnurren und meinen weißen Blechkameraden mit dem geflügelten Z trotz oder gerade wegen seiner ehrlich erworbenen leichten Patina mit viel Wohlwollen betrachten.
In der Ovalmitte gibt’s auch immer viel zu sehen. Die „Fahrerlager“ der Teilnehmer, wo sich heuer sogar ein originales Opel-Motorrad mit den charakteristischen roten Reifen und Gummiteilen einfand. Aber auch für die Freunde vierrädriger Fortbewegung gibt es genug Interessantes.
Was wirklich toll ist: Das Nebeneinander. Alle Fraktionen im Spaß an der gemeinsamen Sache vereint. Da stehen Harley-Bahnrenner von anno dunnemals neben bunten Velosolexen, die Vespafreunde werfen auch einen wohlwollenden Blick über den Tellerrand auf die Heinkel-Aficionados und umgekehrt. Keine Ahnung, wie die das machen, aber irgendwie strahlt diese Veranstaltung eine heitere Harmonie aus. Die Zuschauer betrachten die Hot-Rods mit demselben Interesse wie das alte Feuerwehrauto. Und wenn die Velos durchs Oval schnurren, hört man kein böses Wort von den Fans großer Zylindervolumen, eher Anfeuerungsrufe.
Selbst der wirklich etwas peinliche Moment, als einer der diesjährigen Sponsoren seinen nagelneuen Plastik-Elektroroller zu ein paar praktisch geräuschlosen Runden auf die Piste schickte, erzeugte nicht mehr als ein Schulterzucken beim Publikum. Schließlich wußte man jetzt mit endgültiger Gewissheit, warum man die knatternden, bollernden und teilweise mit ordentlicher Zweitaktfahne winkenden Gefährte von 50 bis 1200 Kubik so ins Herz geschlossen hat: Weil sie eben nicht clean, lautlos und trocken abwischbar sind, sondern man sich an ihnen noch die Finger verschmutzen und die Ohren zum Klingeln bringen lassen kann.
Der Erfinder des Fahrerlebnisschalters sollte sich das Ganze mal zu Gemüte führen und fortan sein Dasein demütig als Staudengärtner fristen.
Inzwischen hat die Veranstaltung etwas an Professionalität gewonnen, dank eines ortsansässigen und offensichtlich recht rührigen Werbespezialisten, der die gute Gelegenheit zur eigenen Profilierung natürlich nutzte, gab es dieses Jahr sogar statt eines besprühten Bettuches als Veranstaltungshinweis echte, gestaltete Plakate (und das Logo des Gestalters überall wo Platz war...)
Man hat sogar das Wort „Bahnsinn*“ dem Herrn Kosak (hoffentlich) abgekauft (oder zumindest angemietet). Und das trifft schon das Gefühl, wenn man so im Rund steht und eine Gruppe aus Vespas, Horexen, NSUs und Velosolexen mit ganz unterschiedlichen, aber stets ordentlich vernehmbaren Lautäußerungen um einen herumschnurren.
Ich komme nächstes Jahr wieder, versprochen.
* „Bahnsinn“ ist eine eingetragene Marke von Willy Kosak, Nennung an dieser Stelle zum Zwecke der Dokumentation. Sollte etwas gegen die Nennung dieses Begriffes in diesem Text sprechen, bitte ich um Mitteilung (ohne Abmahnung), dann wird das Wort unverzüglich, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus dem Text entfernt.